Mittwoch, 21. Juli 2010

Das Messie Syndrom

Das "Messie"-Syndrom
Unter dem Namen "Vermüllungssyndrom" wird seit ca. 1985 ein Phänomen zusammengefaßt, bei dem Menschen ihre Wohnung durch die Anhäufung von wertlosen, unbrauchbar gewordenen Gegenständen unbewohnbar machen und dadurch von Kündigung, Zwangsräumung und Unterbringung in einem Heim oder einer Institution bedroht sind.
Das Wort "Messie" ist abgeleitet von mess (englisch für Chaos, Unordnung, Schwierigkeit). Im deutschsprachigen Raum wurde der Begriff durch Bücher der Amerikanerin Sandra Felton populär.

Messies leiden darunter, insbesondere im privaten Bereich, keine zeitliche und oder räumliche Ordnung herstellen oder halten zu können, in der sie sich wohl fühlen. Dieses "Unwohlsein" kann durchaus die lebenseinschränkenden Ausmaße einer Krankheit annehmen. Es gibt noch so gut wie keine wissenschaftliche Definition, geschweige denn Erklärung oder gar Behandlungsmethode.

Zugrunde liegt diesem Phänomen eine bisher noch kaum vollständig verstandene Unfähigkeit der Betroffenen, brauchbar und unbrauchbar zu unterschieden und dieser Einsicht gemäß zu handeln. Während es scheint, daß weniger schwer Betroffene von einem bereits geheilten "Messie" bei der Räumung der Wohnung bzw. Behebung der Unordnung Unterstützung zu erfahren, sind die schweren Fälle ohne Eingreifen von Behörden, Justiz und Müllabfuhr nicht beeinflußbar.

Man hält Coaching für ein geeignetes Mittel, Messies zu unterstützen, denn ein Coach greift nicht persönlich ein, sondern berät lediglich. Die Erstellung von Arbeitsplänen und die Unterstützung bei deren Einhaltung helfen den Betroffenen oft, ihre täglichen Aufgaben besser zu strukturieren. Hilfreich kann auch ein Peer sein (peer to peer), der dem Messie beim Aufräumen Gesellschaft leistet, ihn ermutigt, und ihn beim Aussortieren, Verstauen und Ablegen unterstützt.
Was ist das?

Die Amerikanerin Sandra Felton, eine Mathematiklehrerin aus Miami (Florida), gründete die weltweit erste Gruppe der "Anonymen Messies" und hat mehrere Bücher über das Problem geschrieben, unter anderem "Im Chaos bin ich Königin" und "Im Chaos werden Rosen blühen" (Brendow-Verlag).

Felton sorgte 23 Jahre lang für Unordnung und Chaos daheim, bis sie die Ärmel aufkrempelte. Der absolute Tiefpunkt kam, als sie wochenlang nicht merkte, daß das Abflußrohr an ihrem Küchenbecken leckte. Denn im Einbauschrank darunter stapelten sich alte Zeitungen. Das Papier sog das Wasser aus dem Rohr auf, und die zweifache Mutter entdeckte die Bescherung erst, als der Boden unter dem Becken schon halb verrottet war.

Messies sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Viele von ihnen sind überdurchschnittlich mit "Ordnung" beschäftigt und im Beruf oft perfekter als andere. Egal ob als Lehrer, Kellner oder Manager.

Das Sammeln, Horten, Nicht-Wegwerfen kann bis zur Vermüllung führen. Die meisten Messies befinden sich aber in einem recht stabilen Höllenzustand irgendwo zwischen "äußerlich unauffällig" einerseits und der in den Medien gern zur Schau gestellten Vermüllung andererseits.

Vieles, was anderen leicht fällt, fällt Messies besonders schwer, wie Wegräumen, Abwaschen etc. Es bestehen große Entscheidungsschwierigkeiten bei alltäglichen Kleinigkeiten und, selbst wenn äußerlich unauffällig, gibt es ein Gefühl "Ich habe versagt". Daraus folgt eine Scham, die oft im Privatleben zur sozialen Isolation führt.


Die "Fangfrage" lautet: Wie fühlen Sie sich in ihrer Wohnung! Können Sie jederzeit Besuch empfangen?

Es gibt 4 Chaos-Phänomene bei Messies:

1. äußerlich unauffällig-normal, Ordnung ist jedoch ein ungewöhnlich wichtiger Teil des Lebens, sie zu halten wird als Qual empfunden

2. Zeit: z.B. Unpünktlichkeit und Versäumen wichtiger Termine

3. Papier: Horten von Papieren, Notizen, Zeitungen, Artikeln

4. Sammeln: Horten von Gegenständen, zwanghaftes Kaufen

Auslöser sind Überforderungssituationen bezüglich Leistungsvermögen, Wissen, Besitz und Können für innerlich schon verunsicherte Persönlichkeiten. Diese entstehen aus z.B. angeborenen oder erworbenen individuellen Schwächen oder allgemein offensichtlichen Belastungen. Kritische Ereignisse wie Hochzeit, Geburt, Trennung, aber auch Krankheiten kommen als Auslöser in Frage.

Eine auslösende Überforderungssituation wird oft durch Teufelskreise selbst wieder hergestellt und beständig erhalten, z.B. durch typischen Perfektionismus, dem man selbst nicht gerecht werden kann. Nach dem durchaus vernünftigen Motto: etwas, was man nicht schaffen kann, erst gar nicht anzufangen - wird aus einem "Tasse abwaschen" z.B. eine "Komplette Hausputz Idee" was in der aktuell gegebenen Zeit nicht schaffbar ist - die Tasse bleibt dreckig stehen.

Auf die Überforderung hin schotten sich Messies mit der Zeit systematisch von der Umwelt ab. Das Phänomen ist umgebungs- bzw. ortsgebunden, d.h. es konzentriert sich in der Regel auf das Privatleben in der eigenen Wohnung. In Beruf und Freizeit sind Messies eher unauffällig.

Darunter leiden Messies massiv, fühlen sich minderwertig, weil sie sich einer als normal dargestellten Aufgabe nicht gewachsen fühlen. Messies erleben sich mehr als passiv in einer auf sie einstürmenden Welt und weniger als aktiv ihr eigenes Leben frei gestaltend. Die selbstschützende Ablehnung weiterer als fordernd erlebter Situationen und oder Personen dürfte auch der Grund für eine manchmal auffällige Feindseligkeit bei Messies sein.
Wie wird man zu einem "Messie"?

Die krankhafte Sucht, massenhaft Tiere zu sammeln, ist mit dem Messie-Syndrom verwandt und in der Psychologie als Tierhortungs-Syndrom („animal-hoarding“-Syndrom) bekannt, wobei in Extremfällen die Betroffenen Tiere gleich hundertfach sammeln. 200 Hunde oder 500 Wellensittiche werden dabei auf engstem Raum gehalten und verwahrlosen, da sie nicht richtig gefüttert werden und vermehren sie sich meist unkontrolliert. Neugeborene Tiere werden von erwachsenen Tieren oft totgetrampelt und blieben liegen. Dahinter verbergen sich meist menschliche Probleme. Studien aus den USA zeigen, dass drei Viertel der Betroffenen Frauen sind, wobei jede zweite von ihnen allein lebt. Es kommen in der Regel mehrere Faktoren zusammen, etwa eine besonders ausgeprägte Tierliebe und oft auch eine menschliche Vereinsamung. Die Energie konzentriert sich dann mehr und mehr auf die Tiere, so dass dem Betroffenen das Ganze mehr und mehr über den Kopf wächst und es ihm schwer fällt, Grenzen zu setzen, so dass sich die Sammelleidenschaft verselbstständigt. Die krankhaften Tiersammler erkennen dabei nicht, wie schlecht es den Tieren gehe und die Wahrnehmung der eigenen Umgebung erfolgt nur noch durch einen recht engen Filter, indem unliebsame Aspekte der Realität ausgeblendet werden.

Die Wurzeln des Chaosproblems wurden oft durch ein geringes Selbstwertgefühl gelegt mit Verlust- und Existenzängsten in der frühen Kindheit. Entwicklungsdefizite führten zu einem Mangel an Urvertrauen in die eigene Umgebung und unmittelbaren Bezugspersonen. Wird ein Kind von den Eltern in seinen Grundbedürfnissen enttäuscht, lernt es, dass auf seine Bezugspersonen kein Verlass ist. So klammert es sich an Dinge, von denen es glaubt, dass sie dauerhaft oder zeitlos sind. Sie geben ihm eine Pseudoselbstsicherheit.

Das Sammeln von Nutzlosem ist dabei weder eine Zwangserkrankung noch eine gestörte Persönlichkeit. Messies sind sehr sensible Menschen, denken viel nach und spüren genau, wenn man sie nicht ernst nimmt. Der Automatismus, der anderen Menschen selbstverständlich ist, dass Altes einfach weggeworfen wird, fehlt den Messies. Erst wenn sie ihr Selbstvertrauen wiedergewonnen haben, wenn ihr beschädigtes Ich wieder repariert ist, können sie ihr Problem mit dem Müll überwinden.
Mögliche Wurzeln des Chaosproblems
Es darf auf keinen Fall mit Druck zum Aufräumen gedrängt werden, sonst muß in der Regel mit massivstem aktivem und vor allem passivem Widerstand gerechnet werden.
Bei dem "unordentlich" Herumliegenden handelt es sich um Denkmäler für Aktivitäten und Vorhaben. Es einfach "wegzuräumen" würde entweder das starke Pflichtbewußtsein des Messie zutiefst verletzen, oder ihn seiner Hobby-Aktivitäten und "letzten Freiheiten" berauben. In jedem Fall ist es ein enormer Eingriff in seine Privatsphäre.
Müll und Unordnung schützt den Messie vor Identitätsverlust
Messies brauchen Hilfe, wohlgemerkt keine Haushaltshilfe, denn das würde ihr Problem nicht lösen. Im Gegenteil: der Privatbereich, die Wohnung ist oft stark schambelastet, Eingriffe und Verletzungen in diesem Bereich müssen entsprechend vermieden werden. Sie brauchen

1. die innere Bereitschaft, ihr unter harten Bedingungen erlerntes Verhalten zu ändern und Hilfe anzunehmen.

2. Hilfe in Form von
a. vor allem Verständnis und Akzeptanz
durch die Gesellschaft mit anderen Menschen mit gleichen Problemen, was durch
eine Selbsthilfegruppe sehr gut vermittelt werden kann.

b. oft auch einen liebevollen Freund, der gut zuhört und nicht bewertet, der
Lösungen aufzeigt und realisieren hilft, der jedoch keine Anforderungen stellt,
lehrmeistert oder Erfolgszensuren vergibt.

c. eine spezielle Verhaltenstherapie, in der
an den irrationalen - nicht hilfreichen - selbstschädigenden Gedanken
gearbeitet wird.

d. zeitgleich dazu ein Verhaltensplan erstellt wird.


Quellen:
http://members.aol.com/messies/l
http://www.adhs.de/ADS-Literatur/messies.htm
http://www.huepfkleckse.de/messies.html
http://www.benten.de/csg/pub/f100_de.html

Arbeitstagung mit Herrn Dr. Rainer Rehberger

Ankündigung:
Arbeitstagung mit Herrn Dr. Rainer Rehberger

in Düsseldorf Unterbach
AWO Zentrum plus
Gerresheimer Landstr. 101
Samstag, 25 September 2010
10 – 18 Uhr

Freitag, 2. Juli 2010

Achtung: Fortbildung

Gruppenleiter Fortbildung
vom Freitag, 26.11.10 bis Sonntag, 28.11.10
in der JH Berlin-Wannsee.

Nähere Informationen werden folgen!